Analytiсs

Furcht und Schrecken algorithmischer Stablecoins

In den letzten Wochen verloren zwei weitere dezentrale Stablecoins die Dollar-Parität: DUSD und aUSD. Warum, wieso, weswegen? Und hätte es verhindert werden können? Eine Analyse.

Jaja. Es ist kaum noch eine Meldung wert, wenn ein algorithmischer bzw. dezentraler Stablecoin einbricht. Der Terra-Dollar ist im Mai und Juni so spektakulär gescheitert, dass alle weiteren Einbrüche nur noch wie Fußnoten eines Schiffbruchs wirken.

Doch gerade wenn man daran glaubt, dass es möglich ist, einen Stablecoin auf algorithmische und dezentrale Weise zu stützen, so wie die DAI-Dollar von Maker, sollte man aufmerksam bleiben und beobachten, was geschieht. Etwa dass in den letzten Wochen zwei weitere algorithmischen Stablecoins die Parität zum Dollar verloren haben: der Acala Dollar (aUSD) auf Polkadot (DOT) und der Decentralized USD (DUSD) auf DeFiChain (DFI).

Wie waren sie aufgestellt – und was ging schief? Wäre es zu verhindern gewesen? Wir protokollieren die Tragödien und versuchen, daraus ein Fazit zu ziehen. Haben algorithmische Stablecoins eine Zukunft?

Aufstieg und Fall des DUSD

Beginnen wir mit dem Decentralized USD (DUSD), der auf DeFiChain (DFI) läuft. Damit beginnt der Horror bereits: DeFiChain ist das aktuelle Projekt von Julian Hosp, der dem einen oder anderen Anleger durch die Ten-X-ICO in unangenehmer und kostspieliger Erinnerung sein dürfte.

Mit der DeFiChain ist Hosp gekonnt auf DeFi und Bitcoin aufgesprungen. DeFiChain sei, tönt die Webseite, ein „natives, dezentrales Finanzwesen, basierend auf Bitcoin“. Wie ich es verstehe handelt es sich um eine Proof-of-Stake basierte Smart-Contract-Plattform, die ihren State gelegentlich durch einen Hash in der Bitcoin-Blockchain verankert. Das ist kein ganz neues, aber auch kein ganz schlechtes Konzept. Mit einer Marktkapitalisierung von rund 455 Millionen Dollar steht DFI im Ranking der Kryptowährungen auf Platz 214.

GET YOUR 100% BONUS WITHDRAWALS WITHIN 5 MINUTES!

Der nächste Schrecken erwartet einen, wenn man versucht, zu verstehen, wie DUSD funktioniert. Nach einem Lichtschalter sucht man vergebens. Es gibt keine offizielle Webseite, kein Whitepaper, kein Dokument. Stattdessen muss man sich die Informationen auf dem Blog von defichain.com und GitHub zusammenklauben.

So wie ich es nun verstehe, kann sich jeder auf DFI synthetische Token schaffen, welche andere Werte abbilden, etwa Aktien, Bitcoins oder eben Dollar. Dazu muss er den zweifachen Wert des abgebildeten Assets in Form von DFI-Token einfrieren. DFI-Token sind die nativen Token der DeFiChain. Auf diese Weise wurden mittlerweile rund 230 Millionen DUSD geschaffen.

Im Zuge des Bullenmarktes Ende 2021 geschah etwas Merkwürdiges: Wegen der hohen Zinsen, die DUSD in Liquiditätspools erwirtschaften, übertraf die Nachfrage nach DUSD das Angebot. Der Preis entkoppelte sich – nach oben. Um den DUSD-Kurs wieder anzupassen, beschlossen die Entwickler, etwas mutiger zu sein: Sie erlaubten es, die Token auch mit einem Kollateral von 150 oder 175 Prozent zu prägen.

Dies mag in einem Bullenmarkt gut gehen, wenn die Preise steigen. Im Sonnenschein lebt es sich unbekümmert gut. Doch im Mai setzte der nächste Schrecken ein: die Turbulenzen um die Terra-Dollar (UST) wühlten den Markt auf, und dies wurde für jeden Stablecoin zum Stresstest.

DUSD fiel durch. Der Wert rutsche auf 90 Cent ab. Offenbar fehlte es an automatischen Mechanismen, um die Parität zu erhalten.

Kurs der DUSD nach Coinmarketcap

Das Blog von DeFiChain beruhigte die Community: „Es ist den Ingenieuren der DeFiChain das höchste Anliegen, ein durchgedachtes System zu entwickeln, welches in soliden spieltheoretischen Systemen wurzelt. Daher sollte die weitere DeFiChain-Community sich keine Sorgen machen, dass etwas ähnliches geschieht wie im Luna-Ökosystem.“

Die Ansprache zeigte Wirkung: Der Preis der DUSD-Token stabilisierte sich bei etwa 95 Cent. Vorübergehend. Im Juni, als UST und Terra vollständig kollabierte, riss dies auch DUSD mit sich. Der Preis rutschte auf 75 Cent, rappelte sich wieder leicht auf, kratzte an der 85-Cent-Marke – und rasselte weiter ab, um am 2. Juli bei knapp 66 Cent einen Boden zu finden.

Danach geschah erneut etwas fast schon Zauberhaftes: Der Preis setzte zu einem neuen Höhenflug an, der am 8. Juli bei erstaunlichen 1,07 Dollar gipfelte.

Was war geschehen? Ende Juni hatten die DeFiChain-Entwickler über mehrere Verfahren abgestimmt, um die Parität wieder herzustellen. Diese Vorschläge drehten an verschiedenen Stellschrauben – die Zinsen und Rückzahlungsgebühren, das Verbrennen von DUSD – und offensichtlich schafften sie es, den Stablecoin wieder zu stabilisieren.

Doch das Kernproblem bestand weiter: Die DFI-Token, die im Mai noch einen Wert von fast 4,50 Dollar hatten, fielen. Und fielen. Und fielen. Wie es eben Coins im Bärenmarkt ergeht. Im Juli standen sie unter einem Dollar, heute bei etwa 1,12 Dollar. Sie waren rein mathematisch nicht in der Lage, die existierenden DUSD bei einem Kurs von einem Dollar zu decken. DUSD waren nicht mehr über-, sondern unterkollateralisiert.

Kursverlauf von DFI, ebenfalls nach coinmarketcap.com.

Der Stablecoin schwankte einige Wochen zwischen 0,95 und 1,05 Dollar. Ende Juli brach er auf 90 Cent ein, erholte sich wieder – und stürzte ab dem 4. August massiv ein. Seit dem 8. August bewegt er sich zwischen 75 und 85 Cent.

Die Acala Dollar

Der Acala Dollar (aUSD) ist ein relativ junger Stablecoin. Er wurde im Februar dieses Jahres als Stablecoin für das Parachain-Ökosystem von Polkadot gegründet.

Der aUSD wird auf der Acala- und Kusama-Parachain geprägt, soll aber im gesamten Ökosystem gelten. Er wird durch einschlägige Token wie Polkadot (DOT) oder Acala (ACA) gedeckt, kann aber auch über Brücken durch Bitcoin oder Ether kollateralisiert werden.

Der dahinterstehende Mechanismus ist relativ ähnlich wie bei den DAI-Dollar von Maker: Man schafft die aUSD durch „Collaterialized Dept Positions (CDPs)“. Diese enthalten auf der einen Seite ein Kollateral, und auf der anderen eine aUSD-Verbindlichkeit. Wenn man die Kollaterale aus dem Smart Contract lösen will, muss man die aUSD zurückzahlen.

Aktive CDPs sind dabei, so die Ankündigung, immer über-kollateralisiert. Sobald der Wert unter eine bestimmte Ratio fällt, zum Beispiel 200 Prozent, kommt es zu einer automatischen Liquidation.

Der Schrecken für die aUSD begann im April. Zu dieser Zeit ging der Kurs der DOT- und ACA-Token auf Talfahrt. Und zwar enorm, selbtst für diese Marktsituation: DOT fiel von 20 Dollar auf  heute 7,50 Dollar, ACA von 1,80 Dollar auf heute gut 20 Cent. Würde aUSD diesen Sturz überleben?

Kurs von DOT nach coinmarketcap.com

Ja. Die aUSD blieben stehen. Das System der Liquidationen schien zu funktionieren. Bis zum 13. August wich der Kurs um maximal einige Promille vom Dollar-Kurs ab. aUSD trotzte Furcht und Schrecken.

Danach aber breitete sich der Horror über den aUSD aus. Der Kurs fiel am 14 August, kurzzeitig auf quasi Null. Heute steht er bei 70 Cent. Der Stablecoin hattn sich so gut durch den Bärenmarkt geschlagen – und nun das! Was war geschehen?

aUSD-Kurs nach coinmarketcap.com

Die Ursache des Einbruchs war nicht ökonomisch, sondern technisch. Am 14. August gab es eine Fehlkonfiguration in einem Teil des Stablecoin-Codes auf Acala. Ein Hacker nutzte den Fehler aus – und druckte sich 3 Milliarden ungedeckte aUSD-Token in die eigene Wallet. Er verteilte sie auf verschiedene Adressen, tauschte sie gegen andere Token wie DOT, und überwies sie auf andere Börsen und Parachains.

Ein größerer Horror ist kaum vorstellbar. Das ist der Worst Case, das Monster, das unter dem Bett hervorkriecht, und noch viel größer und schrecklicher ist, als befürchtet. Der Kurs stürzte ab, auf einen Cent oder weniger. Acala blieb nichts anderes übrig, als die Acala-Parachain vorübergehend abzuschalten, um den Bug zu finden und zu fixen und damit zu verhindern, dass weitere Milliarden ungedeckter aUSD erschaffen wurden.

Zwei Tage später startete Acala die Parachain wieder, allerdings nicht mit allen Funktionen. Die Entwickler konnten mittlerweile 1,2 Milliarden der gefälschten aUSD verbrennen. Es sah so aus, als könnten sie vor dem Schrecken entkommen. Der Preis der Stablecoins raffte sich wieder auf, näherte sich den 90 Cent, also fast schon der Parität – aber brach in den letzten Tagen wieder auf zeitweise unter 70 Cent ein.

Die Mechanismen, die die Parität zum Dollar so lange auch unter widrigen Umständen erhalten haben, funktionieren offenbar nicht mehr. Ob dies daran liegt, dass weiterhin fast zwei Milliarden gefälschte aUSD in Umlauf sind, oder daran, dass die für Liquidationen notwendigen Funktionen weiterhin abgeschaltet sind, weiß ich nicht.

Die Feuerprobe

Was folgt aus all dem? Die DUSD scheitern aus Gründen des Protokolls. Das haben sie mit den UST gemeinsam: Es gibt keine ausreichenden Mechanismen, um die Stabilität des Stablecoins zu erhalten, wenn die unterliegenden Token abstürzen.

In einem Bullenmarkt, in dem alle Preise steigen, funktioniert das gut. Wenn aber ein Bärenmarkt einsetzt und den Wert der Kollaterale zum Schmelzen bringt, durchläuft das Stablecoin-Protokoll seine Feuerprobe. Ist es ein Schönwetter-Dollar, der kollabiert, wenn ein Unwetter aufzieht? Oder schaffen die vom Protokoll gesetzten Mechanismen es, den Wert dennoch zu erhalten?

Die DUSD haben diese Probe offenbar nicht bestanden. Alle Eingriffe und Korrekturen der Entwickler konnten nicht verhindern, dass die Stablecoins instabil werden.

Der Acala Dollar hingegen bestand diese Feuerprobe mit Glanz und Glorie. Er hielt den Wert stabil, obwohl die unterliegenden Token um teils mehr als zwei Drittel einbrachen. Die Entwickler hatten in dieser Zeit allen Grund, sich auf die Schultern zu klopfen: Der Markt brannte, doch die aUSD hielten. Unglücklicherweise stürzte das Token danach aber aus technischen Gründen ab – durch einen Hack.

Für die DUSD gibt es wenig Aussichten, da das Protokoll ökonomisch nicht funktioniert. Es lässt sich nicht durch einen Bugfix retten. Für die aUSD hingegen besteht die Hoffnung, dass sie wieder stabil werden, wenn die technischen Probleme beseitigt sind.

   

Source

Show More

Leave a Reply

Your email address will not be published.